Bewohnis erzählen

Ruth: Mein Kind im Cambium


Immer wieder gibt es diese Momente, wo im ganz gewöhnlichen Alltag plötzlich so eine tiefe Dankbarkeit in mir aufsteigt. Eine Dankbarkeit und fast ein Staunen darüber, wie wir hier leben dürfen. Wie unsere Kinder hier aufwachsen dürfen. Wie einfach und selbstverständlich sich hier so manches anfühlt, das in einem anderen Kontext einfach undenkbar wäre.
Wenn es um 8 in der Früh beispielsweise leise an unserer Tür klopft und mein vierjähiger Sohn und ich, beide noch im Pyjama, unisono „Ja? Bitte!“ rufen – und dann geht vorsichtig die Tür auf und der zweijährige Liam kommt hereinspaziert, der ein paar Türen weiter wohnt. Völlig selbstbewusst kommt er uns besuchen, selbst noch im Pyjama. Seine Mutter folgt wenig später und es ergibt sich ein nettes Plauscherl am Morgen.
Oder als mein Sohn genau an seinem Geburtstag ganz plötzlich fiebert und nicht an der eigenen Geburtstagsfeier in unserer hausinternen Kindergruppe teilnehmen kann, und dann unsere Tagesmutter Sanja, die selbst auch hier lebt, am Abend dann doch ganz überraschend mit einer selbstgebackenen Dino-Torte und anderen Kindergruppenkindern im Gefolge bei uns aufwartet.
„…unsere hausinterne Kindergruppe“ – und wie cool ist das denn bitte!? In der Früh bringe ich Leandro einfach ein Stockwerk höher, wo bereits seine Freunde, die er seit seiner bzw. seit deren Geburt kennt, auf ihn warten. Und die Tatsache, dass Leandro, als Einzelkind das Glück hat, mit so vielen Kindern in so unmittelbarer Nähe und Verbundenheit aufzuwachsen, fast wie Geschwister, erlebe ich als absolutes Geschenk.
Auch dass sein Vater und ich als Familie zusammen leben können, obwohl wir uns als Paar getrennt haben – wo sonst wäre das so unkompliziert möglich?
Und es gibt noch so viel mehr, wofür ich dem Leben in diesem Zusammenhang dankbar bin:
Für den wundervollen Wald direkt vor unserer Haustüre, für den liebevoll umsorgten Gemeinschaftsgarten, wo Leandro unterschiedlichstes Gemüse, Kräuter und Beeren vernaschen kann. Für die Schafe, Kaninchen, Katzen und Hühner, die ich mir selbst vermutlich niemals zugelegt hätte, und mit denen wir uns trotzdem unser Zu Hause teilen dürfen. Für das riesige Gelände, fast gänzlich ohne Autoverkehr und dafür mit viel freien Flächen zum Radfahren, Laufen, Spielen und Verstecken. Für die unkomplizierte Möglichkeit, mich mit anderen Eltern auszutauschen, von und miteinander zu
lernen, einander auch zu unterstützen, wenn es was braucht.
Wo sonst könnte ich das so erleben – außer vielleicht in einem Stammesgefüge. Und ein wenig fühlt es sich sogar so an, und auch dafür bin ich richtig dankbar 🙂 !
Ist es manchmal auch herausfordernd? Natürlich. Wenn mitunter der Speisesaal von Kindergeschrei erfüllt wird, wenn man das Zu-Bett-Bringen mit dem abendlichen Plenum unter einen Hut zu bekommen versucht, und… wann eigentlich noch? Gerade fällt mir nicht mehr ein, als diese zweit Punkte, aber da gibt es sichern noch was.. 😉 !