Mit unserem Sommercamp im August, dem sogenannte “Community Campus”, lud unsere Gemeinschaft Menschen ein, gemeinsam einen vielfältigen Bogen rund um nachhaltige und authentische Gemeinschaftsentwicklung zu spannen. Doch nun zurück zum Anfang: Sind wir bereit für ein Sommercamp? Um ehrlich zu sein, in der Tiefe haben wir uns als Gemeinschaft nie mit dieser Frage auseinandergesetzt. Ein paar von uns wollten es einfach ausprobieren: Seit Anfang 2018 traf sich immer wieder – aus heutiger Perspektive wahrscheinlich zu spät und zu selten für unser erstes Mal – eine kleine Gruppe an Menschen mit dem Anliegen, im Sommer unseren Platz nach Außen hin sichtbar zu öffnen.
Diese Gruppe nannte sich bald “Kerngruppe”, und in diesem Kern waren durch uns sehr unterschiedliche Haltungen und Visionen enthalten, wie dieses Sommercamp und der gesamte Sommer inklusive Sommerfest aussehen könnten. Einige waren Fans von Camps verschiedener Ökodorf-Gemeinschaften – beispielsweise Schloss Tempelhof, Tamera oder ZEGG – andere waren begeistert von sehr offenen und spontanen Kreativräumen von Zirkus-Kollektiven oder Rainbow-Gatherings und so weiter.
Mit diesen anfangs noch sehr theoretischen Ideen eng verknüpft war natürlich auch der Wunsch, die eigenen Freunde und Bekannten mit unserer Planung begeistern zu können, sie mit ihren Erwartungen ab und an den Platz zu holen, um mit ihnen gemeinsam etwas zu schaffen. Wie kann am Ende daraus ein rundes Programm entstehen, hinter dem wir alle gut stehen können? In wie weit ist es möglich, diese scheinbar grundverschiedenen Zugänge nebeneinander zu stellen, zusammenzubringen, sich gegenseitig inspirieren zu lassen? Wäre es nicht auch ein sinnvoller Schritt, dieses Ringen mit unserer Verschiedenheit, die wir uns ja immer wieder mit dem Begriff »Diversität« auf die Fahnen schreiben, als Prozess sichtbar zu machen und einzuladen, daran ganz – an dem Potential und an den Schwierigkeiten – Teil zu haben?
Es gab Phasen, da sah es aus wie ein Getrennt-sein; ein Gegenüberstehen von Struktur und kreativem Chaos. Wir hatten auch viele ersten Male in unserer Planungsphase. Fast überall sahen wir, dass wir unterschiedliche Vorstellungen mitbrachten: Intention, Inhalte, Organisationsstruktur, Zuständigkeiten, Zielgruppe, Budget, Preisgestaltung, Unterbringung, Organisation der Küche, Tagesstruktur, Umgang mit Gasthelfer*innen – all das war Gegenstand von langen und intensiven Kreis-Gesprächen, die mitunter nicht immer konstruktiv, sondern auch zermürbend und frustrierend waren: Tränen flossen, manch eine*r musste mal raus um zu schreien, ein oder zweimal brachen wir auch das Treffen ab.
Ich habe in meinem mittlerweile recht großen Fotoarchiv mit vielen lachenden Gesichtern nach Bildern gesucht, die nebst den freudigen teilweise orchestrierten Darstellungen für Folder und Homepage auch andere Seiten unsere Zusammenseins in Gemeinschaft abbilden; die zwischenmenschlichen Anstrengungen, die Mühsamkeit, wenn es so richtig menschelt – wenn es Konflikte gibt und wir echt mal stecken bleiben miteinander, den Kontakt verlieren und kurzfristig vielleicht sogar vor unserer Unterschiedlichkeit kapitulieren. Natürlich drückt dann niemand den Auslöser! Ein paar Situationen mittlerer Anstrengung konnte ich auf meinem Handy finden:
Heute weiß ich gar nicht mehr, woher wir alle den Mut, die Verbissenheit und den Glauben nahmen, immer wieder, wie die Stehaufmännchen und -weibchen, unsere Kräfte zu bündeln und weiter zu machen. Menschen warfen auch das Handtuch, gingen aus dem Team, manche kamen zurück.
Der Versuch, ein klares Bild nach außen zu vermitteln, z.B. in der Bewerbung, musste auch ein paar Mal in die Hose gehen: Mit “Lassen wir etwas entstehen!” schlug ich anfangs ein Motto vor, das sich ganz stark macht für Ergebnisoffenheit und uns in der Konzeption weitgehend Spontanität und Narrenfreiheit einräumen sollte. Über mehrere Monate ging dieser Titel in der Kerngruppe unter – erst acht Wochen vor dem Camp kam es zu einer längeren Diskussion ob jetzt “Lassen wir etwas entstehen!” oder “Wir lassen etwas entstehen!” unsere Intention klarer zum Ausdruck zu brachte. Heute muss ich selbst auf der Homepage nachsehen, was tatsächlich das Ergebnis unseres Ringens war. War dieser Prozess – als Beispiel für manch anderen auf dieser Ebene – ein Erkenntnisgewinn? Hat er uns näher zusammengebracht? Oder war es nur eine von vielen Ehrenrunden im manchmal hoffnungslos erscheinenden Ringen nach einer gemeinsamen Ausrichtung? Auch der Prozess rund um das Programm war ziemlich ernüchternd und unverbunden. Im Endeffekt mussten wir einige Tage vor Beginn wieder einige der angekündigten Workshops streichen.
Gerade noch in der Chaosphase unserer Planung, und schon stehen die Gäste vor der Türe. Ich stehe Offenheit, Interesse und Dankbarkeit gegenüber. Und wie ein Wunder bewegt sich auch auf der Seite der Organisation einiges … natürlich nicht, wie von selbst … aber die Selbstverständlichkeit, mit der wir diese Campwoche gemeinsam gestalten, ist eine wuchtige Überraschung. Wer hätte damit gerechnet, dass es plötzlich so flüssig, so leicht wird? Klarerweise gibt es auch bei den Gästen die eine oder andere Enttäuschung – z.B. über den einen oder anderen Workshop, der nicht stattfindet. Was im fortschreitenden Camp immer spürbarer wird, ist ein gewisser Gruppengeist – ein Zusammenhalt, der in den vielen unterschiedlichen Begegnungen seinen Ursprung hat.
Mich berühren ganz besonders die Rückmeldungen, die uns unsere Campgäste da gelassen haben: Dankbarkeit für die Diversität hier am Platz, für die spürbare Offenheit – das Gefühl, so willkommen zu sein, wie man ist. „Anfangs kannte ich niemanden, dann ist Verbindung entstanden und ich habe Liebe gespürt. Liebe und Verbindung“, meinte eine Teilnehmerin. Auch in den Intensivgruppen gab es „viele Momente der Überforderung, des Scheiterns, Konflikte und Verstrickungen”, die geklärt werden konnten, weil wir dieses Chaos gemeinsam halten konnten. Anscheinend waren wir durch unseren eigenen Prozess gut vorbereitet?
Rafaela bringt es auf den Punkt: Es ist ein Geschenk, dass wir das, was wir uns als Gruppe in den letzten Jahren erarbeitet und geübt haben in diesem Camp teilen können. Dass ein von uns – in einem teilweise zermürbenden Prozess – vorbereitetes Feld unsere Gäste gut aufnehmen kann.
„Die Reise, die zu einer Gemeinschaft gestartet hat, hat schlussendlich dazu geführt, dass ich mich besser kennengelernt habe”, meinte ein Teilnehmer. Dasselbe möchte ich über den »Community Campus« behaupten: Der Prozess rund um das Sommercamp hat mich ein großes Stück näher an die Gemeinschaft und mich selbst gebracht.
Derzeit noch etwas zaghaft oder vorsichtig … aber ich freue mich auf das nächste Experiment hier im Cambium!