Interview mit Anna, 28 Jahre, Bewohnerin von Cambium ∙ Leben in Gemeinschaft, Hebamme und Mutter
Anna, wir befinden uns in einer spannenden Phase unseres Gemeinschaftsprojektes, nämlich in der Phase der Finanzierung. Derzeit pachten wir die Gebäude und den Grund von der Gemeinde Fehring mit Kaufoption für April 2019. Als Finanzierungsmodell haben wir uns für den Vermögenspool (VMP) nach Markus Distelberger entschieden. Was bedeutet der Vermögenspool für Dich persönlich?
Es braucht diese Art von Finanzierung, damit etwas realisiert werden kann, hinter dem ich stehe.
Wohinter stehst du genau?
Ich stehe hinter dem Gemeinschaftsprojekt Cambium, und es ist mir ein großes Anliegen, dass es realisiert wird. Der Vermögenspool ermöglicht uns eine gemeinschaftlich getragene Finanzierung. Nicht ein Einzelner oder eine kleine Gruppe sind Eigentümer, sondern der Verein. Durch Eigentumsverhältnisse gibt es automatisch ein Machtgefälle und es kann leicht zu Schwierigkeiten bei der Mitsprache und bei Entscheidungen kommen. Durch den VMP sind das Gelände und die Gebäude in Vereinseigentum und es kann nicht ein Einzelner entscheiden, was damit passiert.
Außerdem haben andere Menschen, welche unser Projekt für gut und zukunftsfähig halten, die Möglichkeit, durch ihr Geld mitzuwirken. Dadurch haben wir die Möglichkeit, unsere Zeit direkt in den Aufbau der Struktur zu investieren und darin eine Kultur des Vertrauens und des Miteinanders aufzubauen. Im Alltag und auch im größeren Kontext ist dies für mich immer wieder eine Herausforderung. Gleichzeitig ist es das, wofür ich hier bin.
Wofür bist du hier am Platz?
Mir ist es extrem wichtig, etwas zu kreieren beziehungsweise Teil von etwas zu sein, wo Menschen miteinander leben, wo sie sich gegenseitig unterstützen – wo es ein Miteinander und kein Schneller, Stärker oder Besser gibt. Wo es keine, im herkömmlichen Sinne, Führungsposition gibt. Durch die soziokratische Struktur haben die dem Projekt zugehörigen Personen die Möglichkeit, mitzuwirken und Entscheidungen zu treffen. Wie bereits gesagt, ist dies anstrengend und herausfordernd, da es viel Arbeit von jedem Einzelnen verlangt. Doch ist es auch extrem schön, bei etwas so Großem mitwirken zu können und Verantwortung zu übernehmen. Ich will mich für eine Zueinander-Bewegung der Menschen einsetzen, indem wir uns Themen – wie das der Kinderbegleitung – gemeinschaftlich annehmen.
Was ist für Dich noch wichtig, Anna?
Dass ich merke, je länger ich da bin, umso umfassender wird die Motivation, und ich erkenne mehr und mehr Facetten, für die es sich lohnt, da zu sein und dafür zu arbeiten.
Bitte nenne ein paar solcher Facetten.
Etwas Offensichtliches ist das Kinderthema. Juri, mein Sohn, hat auch andere Kinder und Erwachsene als Bezugspersonen. Er ist mit verschiedensten Meinungen konfrontiert, er sieht, wie die Menschen unterschiedlich mit Dingen umgehen und hat dadurch eine Diversität an Vorbildern und nicht nur Mama und Papa. Gleich fällt mir auch der VMP ein. Ich hätte mich in meinem Leben nicht mit alternativen Finanzierungsmodellen auseinandergesetzt. Zu Beginn unseres Projektes habe ich es zwar verstanden, aber es hat mich noch nicht so gefesselt wie jetzt. Immer mehr merke ich, wie sehr mir die Idee gefällt, nicht nur privates Eigentum zu schaffen, sondern es gemeinschaftlich anzugehen. Hier habe ich die Möglichkeit, mich damit zu beschäftigen und hineinzuwachsen. Es macht total Spaß!
Eine letzte Frage hätte ich noch an dich: Wenn die Idee des Vermögenspools reift und weitere Wellen schlägt, was für ein Potential erkennst du bezogen auf das globale Geschehen?
Für mich ist es extrem schön, wenn Menschen Geld haben und es direkt dort anlegen, wo es sinnstiftend verwendet werden kann. Somit sind sie Teil von einem Projekt, können vorbeikommen und sehen, was mit ihrem Geld tatsächlich passiert. Wenn sich die Idee des Vermögenspools auf der Welt verbreitet, erkenne ich viel Potential darin. Auf der einen Seite eröffnet es die Möglichkeit, dass Menschen ihr Geld sinnvoll wirken lassen können. Auf der anderen haben Menschen mit Kraft und Energie für ein Projekt die Chance, dieses auch umzusetzen. Und dies ist für mich eine Bewegung, wo Menschen einander näher kommen und sich gegenseitig wertschätzen. Eine Richtung, die mir Vertrauen in die Zukunft gibt.
Das Interview mit Anna führte ihre Mitbewohnerin Ilona Pertl.