Etwa ein Drittel der Bewohner*innen vom “Cambium” sind Kinder – so gesehen kann man uns als kinderreiche Gemeinschaft bezeichnen. Wir haben bemerkt, dass es einen guten Fokus auf alle Themen rund um unsere jüngsten Bewohner braucht, damit wir alle zufrieden und entspannt zusammenleben können.
Viele Kinder bedeutet viel Tohuwabohu und Action, das Zusammenleben ist daher immer wieder herausfordernd. Bei einer unserer letzten Gemeinschaftszeiten haben wir beschlossen, dass wir das Thema “Begleitung unserer Kinder” in den Mittelpunkt rücken und ihm viel Aufmerksamkeit schenken möchten. Aus Erfahrungen anderer Gemeinschaften wissen wir, dass das Thema “Integration der Kinder” eine ganz zentrale Stelle ist – Projekte wie unseres sollten da ein aufmerksamen Augenmerk darauf legen.
Viele verschiedene Eltern und noch mehr Ansätze, wie eine zeitgemäße Erziehung/Beziehung aussehen soll, beinhalten auch viel Konfliktpotenzial. Gerade wenn es um die eigenen Kinder geht, lässt man sich als Elternteil nicht gerne rein reden – es ist ein sehr persönliches Thema. Auch ist die Struktur einer Gemeinschaft eine ganz andere, als die einer Kleinfamilie – sie hat viele Vorteile, hat aber auch ihre schwierigen Seiten. Die Architektur der Kaserne und die Weitläufigkeit des Geländes bringen weitere Herausforderungen im Zusammenleben mit den Kindern.
Die Frage ist nun, wie können wir Rahmenbedingungen schaffen, an denen sich sowohl Kinder als auch Erwachsene orientieren können? Wie können wir Räume gestalten, um potenzielle Konflikte und Meinungsverschiedenheiten gut zu hören und zu klären? Wie können unsere Kinder bestmöglich von unserer besonderen Form des Zusammenlebens profitieren und sich hier in der Gemeinschaft gut entfalten?
“Eine zentrale Rolle spielt bei uns die AG Kinder (soziokratische Arbeitsgemeinschaft), die sich mit vielen Themen in dem Kontext befasst und spezielle Räume schafft – mit dem Ziel die Kinder untereinander, die Kinder mit ihren Familiensystemen und vor allem die Kinder in der großen Gemeinschaft zu begleiten und zu beheimaten. Dabei unterstützt die AG das Zusammenwachsen, das Vertrauen und die Beziehungen von Erwachsenen und Kindern. Hier wird versucht, allen aus der Gemeinschaft Beteiligungsmöglichkeiten zu bieten.” (Auszug aus der Domain)
Zur Zeit legt die AG einen Schwerpunkt auf den so genannten Älternkreis – Ältern mit Ä, da alle Älteren willkommen sind, auch Nicht-Eltern. Alle drei Wochen kommen dabei Erwachsene zusammen, um sich über alle wichtigen Themen rund um Kinder und Begleitung auszutauschen, Konflikte zu bearbeiten oder gemeinsame Visionen zu verwirklichen. Begleitet werden wir dabei von der Erwachsenenbildnerin, Kindergartenpädagogin und Kommunikationstrainerin Elisabeth Rüdisser.
Wenn es um besondere Themen geht, laden wir immer wieder Fachleute ein, um uns coachen zu lassen oder besuchen selbst Schulungen und Fortbildungen, um unsere eigene Qualifikation und Kompetenz auf dem Gebiet zu steigern.
Eine sehr gute Möglichkeit bietet hier aus unserer Sicht „TransParents“. Das ist eine Plattform für bewusste Elternschaft und eine neue Kultur des Zusammenlebens mit Kindern. TransParents teilt unsere Vision einer Gesellschaft, in der Kinder willkommen, geborgen und geachtet sind.
Gemeinsam mit anderen Mitbewohnern besuche ich die “Gemeinschaftsübergreifende Elternschule” von Transparents. Dort treffen sich Teilnehmer aus acht verschiedenen Gemeinschaften und Ökodörfern, um explizit daran zu arbeiten und zu erforschen, wie Kinder in großen Gemeinschaften gut begleitet werden können.
Andere besuchen das Jahrestraining, in dem über ein ganzes Jahr tiefgreifend an einem Paradigmenwechsel von uns Erwachsenen gearbeitet wird.
„Anstatt unsere Kinder zu erziehen, wollen wir mit ihnen auf Augenhöhe in Beziehung treten und ihnen dabei gleichzeitig die Führung bieten. So können sie sich in ihrer Position als Kind entspannen.“ – Auszug aus einem Text von der Website von TransParents
Neben den sozialen Austausch- und Entwicklungsräumen, ist es uns auch wichtig, den Kindern konkrete Plätze auf unserem Gelände zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen der Bauwoche wurde ein neuer Kinderspielplatz mit Klettertürmen, Schaukeln, Rutschen und Riesensandspielplatz errichtet. Die Kinder genießen, an sonnigen Herbsttagen, den neuen Erlebnisgarten hinter dem Haus, der auch beständig erweitert werden soll. Eine weitere vorbereitete Umgebung finden Kinder in der Kinderwerkstatt und dem zukünftigen Tobe- und Bewegungsraum.
Gemeinsame Kinderaktionen mit den Erwachsenen – bei denen gebastelt, gebacken, gebaut oder gemeinsam in den Wald spaziert wird – ermöglichen eine Vertiefung der Beziehungen zwischen Groß und Klein, fördern Vertrauen, machen Spass!
Manchmal laden wir auch jemanden zu uns ein, der etwas Besonderes bereitstellt für die Kinder. Zb Sarah Mareike Kirsch, die uns immer wieder mit ihrem Wurzelfrau-KinderTheater begeistert oder Verena und Sabine vom Straßentheater „Belle Etage“, die im Sommer einen Zirkusworkshop für Kinder angeboten haben. Ende August fand der mehrtägige Videoworkshop „Self made Film“ bei uns statt und es gab ein Sommer-Outdoorkino für Kinder. Zu allen diesen Aktionen waren auch Kinder „von außerhalb“ herzlich eingeladen. Denn wir freuen uns über immer bessere Vernetzung mit den Menschen unserer Region und das Teilen, den Austausch, die gegenseitige Inspiration.
Ein afrikanisches Sprichwort besagt: „Um ein Kind zu erziehen braucht es ein ganzes Dorf.“
In diesem Sinne versuchen wir die Elternschaft kollektiv zu denken. Wir bemühen uns, gegenseitig gute Unterstützer und Gesprächspartner zu sein und versuchen Konflikte frühzeitig im Kreis zu klären. Gerade in den Bereichen der Gehirnforschung und Bindungspsychologie ergaben sich in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse, die uns im Zusammenleben mit Kindern dienlich sein können.
von Moritz Kolar, Delegierter der AG Kinder